Meine Hüttentour um den Watzmann – Teil II

Der Weg zum Hocheck führt über felsiges Gelände und ermöglicht einen Blick auf den Nationalpark Berchtesgaden.
Am zweiten Tag unserer Hüttentour rund um den Watzmann steigen wir dem König auf's Dach und lernen das karge Wimbachgries kennen.

Der Wecker klingelt bereits kurz nach halb sechs und gut eine Stunde später brechen wir zum Hocheck, einem der drei Watzmanngipfel auf 2.651 m Höhe auf. Leider ist unsere Sicht noch immer von vielen Wolken eingeschränkt, aber wir lassen uns davon die Laune nicht verderben. Wir wissen, dass heute der anstrengendste Tag der Reise wird, knapp 1.380 Höhenmeter geht es heute bergauf und 1.980 Höhenmeter hinunter. Wir werden voraussichtlich um die 10 Stunden unterwegs sein und haben uns dafür ordentlich gestärkt. Alle unnötigen Utensilien haben wir im Watzmannhaus gelassen und gehen nur mit einem Tagesrucksack los. Die wichtigsten Dinge sind definitiv Mütze und Handschuhe – zumindest am heutigen Tag. Und eine Kamera ist für die Gipfelfotos natürlich auch ganz nützlich.

Zuerst schlängelt sich der Weg angenehm nach oben, aber bald bewegen wir uns im exponierten Gelände über Gestein und Geröll. Die Gespräche verstummen an dieser Stelle auch, denn jeder ist jetzt sehr konzentriert. Ein falscher Schritt hätte zwar noch keine katastrophalen Auswirkungen, trotzdem will keiner einen Sturz riskieren. Wir klettern ein gutes Stück an einer seilversicherten Stelle und Vroni ermahnt uns kurz vorm Gipfel noch einmal nun besonders konzentriert zu gehen. Irgendwie ist es doch recht anstrengend und ich schnaufe deutlich mehr als meine Mitreisenden. Zumindest habe ich den Eindruck.

Der Weg zum Hocheck führt über felsiges Gelände und ermöglicht einen Blick auf den Nationalpark Berchtesgaden.
Auf dem Weg zum Hocheck erhaschen wir einen kurzen Blick über den Nationalpark Berchtesgaden.

Grüß Gott, König Watzmann!

Kurz nachdem Vroni uns darauf aufmerksam macht, dass wir jetzt schon auf Höhe der Watzmannfrau sind, sehen wir auch schon die beiden Gipfelkreuze des Hochecks. Was für ein Gefühl! Wir haben es geschafft, trockenen Fußes und ohne Verletzung! Zwar werden wir nicht mit der atemberaubenden Aussicht auf Großvenediger und Zugspitze belohnt, die hier an schönen Tagen möglich ist, aber die Erfahrung und das Adrenalin ist schon Belohnung genug. Wir begeben uns zur Schutzhütte und treffen dort eine Gruppe, die sich zur Mittelspitze des Watzmanns aufmacht. Diese ist schon zu sehen, dennoch weist das Schild noch einmal eine Gehzeit von einer Stunde aus und der Weg ist nicht gerade einladend. Es geht über eine Art Holzbrücke nur noch am Seil befestigt voran und unsere Bergexpertin erklärt uns, dass der Weg recht unangenehm sein kann. So sehr ich die Herausforderung liebe, bin ich in diesem Moment doch froh, dass unser Weg hier endet. Nach den obligatorischen Gipfelfotos brechen wir wieder auf und bahnen uns vorsichtig den Weg nach unten. Inzwischen ist es kurz vor 9 Uhr und der Gegenverkehr nimmt immer mehr zu je weiter wir wieder Richtung Watzmannhaus wandern.

„Gesicht zur Wand, Arsch ins Land!“

Im letzten Drittel des Abstiegs setzt der Regen ein, den wir alle insgeheim schon seit heute Morgen befürchten. Vroni macht klar, dass jetzt besondere Vorsicht geboten ist, da durch den Regen die Steine nass und rutschig sind. An der seilversicherten Stelle macht mein Schienbein schließlich doch schmerzhafte Bekanntschaft mit dem Fels, weil ich auf einem nassem Stein wegrutsche. Im Übrigen gibt es ein tolles Sprichwort für das Wandern bergab. „Wenn es zu steil wird“, sagt Vroni, „dann gilt die alte Bergsteigerweisheit: „Gesicht zur Wand, Arsch ins Land!““ Zugegeben, das ist eine etwas rustikale Ausdrucksweise, aber sehr einprägsam. Irgendwann wird das Gelände aber wieder flach genug, um vorwärts gehen zu können und so feiere ich auf ca. 2.300 m Höhe Premiere mit den Trekkingstöcken. Ehrlich gesagt, fühlt es sich im ersten Moment ziemlich merkwürdig an, aber schon bald hat man den Dreh raus wie die Stöcke zu setzen sind. Allerdings muss ich gestehen, dass ich unglaublich langsam mit den Stöcken bin.

Die Aufnahme entstand auf ca. 2400m Höhe und zeigt den Blick auf das in Hochwolken liegende Watzmannhaus.
Auf dem Rückweg vom Hocheck lässt sich das Watzmannhaus unter den Hochwolken bereits erahnen.

Zurück am Watzmannhaus suchen wir nur schnell die restlichen Sachen zusammen und gehen dann trotz des Regens weiter bergab zurück zur Falzalm. Schließlich haben wir noch ein straffes Tagesprogramm vor uns. Die Falzalm lassen wir links liegen und gehen weiter auf den Serpentinen durch den Wald bergab. Unterwegs sehen wir tiefschwarze Bergsalamander, die ein „Regenbad“ nehmen und die uns bei Sonnenschein sicher entgangen wären. Pünktlich 12 Uhr erreichen wir die Mitterkaseralm auf 1.408 m Höhe. Insgesamt haben wir damit innerhalb der ersten 5 Stunden 821 Höhenmeter bergauf und 1.243 Höhenmeter bergab überwunden. Auf der Mitterkaseralm hört der Regen endlich auf und wir genehmigen uns eine kurze Kuchenpause.

Das Bild zeigt die Mitterkaseralm, eine Einkehrmöglichkeit zwischen Watzmannhaus und Wimbachgriesschloss.
Leckeren Kuchen und eine freundliche Wirtin gibt es auf der Mitterkaseralm.

Wir gehen weiter recht gemütlich auf einem Sand- bzw. Kiesweg bergab Richtung Wimbachtal. Dieser Abschnitt ist zugegeben recht unspektakulär, aber dafür kann man sich jetzt auch wieder prima über allerlei Kuriositäten aus dem Alltag unterhalten.

Genusswandern durch das Wimbachtal zum Wimbachschloss

Schließlich hören wir und sehen bald danach auch den Wimbach, der der Umgebung den Namen gab und folgen dem Weg links Richtung Wimbachklamm. Eine Holzbrücke bietet uns einen schönen Blick auf den Fluss und wir haben Zeit für eine kurze Pause.

Das Bild zeigt den Wimbach auf Höhe der Wimbachklamm umgeben von saftig-grünen Laubbäumen.
Der Wimbach fließt taleinwärts in die Wimbachklamm.

Flussaufwärts geht es weiter auf flachem, sehr bequemen Weg das Wimbachtal entlang. Irgendwann verläuft der Fluss nur noch unterirdisch entlang und wir blicken nur noch auf die charakteristischen Schuttströme, die dem Tal auch den Namen Wimbachgries geben. Wir machen noch einmal eine kurze Rast am Wimbachschloss, bevor es die letzte Stunde zur Wimbachgrieshütte wieder leicht bergauf geht. Alles in allem könnte dieser Abschnitt unserer Tour aber als Genusswanderung bezeichnet werden. Leider fängt es eine dreiviertel Stunde vor unserem Ziel noch einmal an zu regnen. Die mittlerweile wieder trockenen Sachen werden also erneut einer Belastungsprobe unterstellt.

Gegen sechs sind wir endlich im Trockenen, die Hütte ist schon gut besucht und die Wirtin zeigt uns gleich unsere Zimmer im ersten Stock. Diesmal darf jeder in einem eigenen Bett schlafen. Im Gegensatz zum Watzmannhaus ist das also schon richtig viel Privatsphäre. Ungücklicherweise fehlt ausgerechnet heute der Trockenraum. Es wird also zum Glücksspiel, ob wir morgen früh in trockene Schuhe schlüpfen können oder nicht. Als Trostpflaster gibt es aber eine Dusche. EINE Dusche. Man darf maximal zweimal 50 Cent einwerfen und einer meiner Begleiter versucht tatsächlich sein Glück. Immerhin kann man sich für 50 Cent einmal für 20 Sekunden abduschen. Mit kaltem Wasser. In einem kalten Raum. Danke, aber darauf verzichte ich gerne.

Klassisch-bayerische Küche in der Wimbachgrieshütte

Jetzt, wo wir mehr oder weniger erfrischt sind, wird es Zeit für das Abendessen. Nach einer klassischen Fritattensuppe kommt das größte Schnitzel, das ich seit langem gegessen habe. Das Essen ist hier noch besser als im Watzmannhaus. Über die Portionsgröße lässt sich streiten, aber wir essen alle brav unser Megaschnitzel auf. Selbstverständlich nur, damit morgen die Sonne scheint. Weil bei Desserts und Eis die Regel gilt, dass man diese auch verspeisen kann, wenn man schon pappsatt ist, stürzen wir uns noch auf den Topfenstrudel, der mit Kirschen und warmer Vanillesauce kredenzt wird. Da für mich das Dessert immer das Beste am Essen ist, freue ich mich, dass es diesen Klassiker der alpinen Küche jetzt noch gibt und es ist wirklich der krönende Abschluss. Sehr lecker, sehr zu empfehlen!

Das Bild zeigt die Wimbachgrieshütte im kargen Wimbachtal in den frühen Abenstunden.
Unser zweiter Zwischenstopp auf der Watzmann-Hüttentour ist die Wimbachgrieshütte.
Das Bild zeigt eine große Baumwurzel mitten im klein gemahlenen, grauen Gesteinsschutt, auch Gries genannt. Dieser gibt dem Tal seinen Namen.
Das Wimbachgries hat seinen Namen von dem klein gemahlenen Gesteinsschutt.

Auch heute lassen wir den Abend wieder gemütlich ausklingen. Vroni erklärt uns einiges über die Kunst des Wanderkarten-Lesens bevor sie erschöpft – mehr vom Abendessen als von der Wanderung – ihr Bett aufsucht. Der Rest von uns vertreibt sich den Abend bis zur offiziellen Nachtruhe mit diversen Kartenspielklassikern und träumt von frischem Obst. Das fehlt wirklich ein wenig auf den Hütten, ist aber logistisch gesehen eben leider auch nicht so einfach.

Wir sind gespannt, was der morgige Tag bringen wird. Im Moment regnet es. Meine Füße schmerzen heute etwas und die Waden zwicken. Dennoch bin ich glücklich über den erfolgreichen Gipfelausflug. Ich genehmige mir schnell noch eine Portion Magnesium, dann wird geschlafen.

 

Mit welchen Wetterkapriolen wir an Tag 3 kämpfen müssen und welche Tiere im Himmelreich leben, erfahrt ihr bald im dritten Teil dieser Serie.